Feuillemort - Die Farbe eines sterbenden Blattes
- GedankenChaos
- 15. Apr. 2019
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Apr. 2019
Seh die Laubbäume in der Sonne. So wurden sie gesäht, so sind sie herangewachsen. Die saftgrünen Blätter brauchen die Sonne, sie werden von ihr genährt mit Licht, mit Kraft, mit positiver Energie. Die Bäume strahlen um die Wette. Jeder von ihnen möchte grüner sein als derjenige, der sich neben ihm befindet. Doch irgendwann kommt der Herbst und die Blätter werden bunt. Völlig übersäht mit kräftigen Rottönen, leuchtenden Gelbpaletten, mit glitzerndem Orange. Ein Trugbild. Tatsächlich feuillemort - die Farbe, eines sterbenden Blattes. Entzogen der Sonne, nehmen sie Abschied. Flattern im stürmischen Herbstwind herunter. Und dann werden die Bäume kahl. Keine Blätter mehr an ihnen. Wettkampf vorbei, sie sind alle gleich. Verharrt bis die sanften Strahlen und die wohlige Wärme des Frühlings auf sie wirkt, stehen sie da. Regungslos.
Daneben ein paar Tannen. Unabhängig von Sonne, Wind und Wetter lassen sie jeden Tag ihr schönes dunkles Grün strahlen. Keine Blätter, nur Nadeln. Keine Blüten, die wie bei einer Magnolie freudig herausspringen. Und doch: sie sind beständig und schön. Ragen stolz in den Himmel. Ruhig stehen sie das ganze Jahr über da. Sie sind gesellig und wachsen über alle Zeit friedlich nebeneinander her.
Wir Menschen verhalten uns meist wie Laubbäume. Brauchen das Rampenlicht und vergleichen uns ständig mit Freunden, Verwandten, Berühmtheiten. Wer hat den besseren Job, das teurere Auto, den schönsten Schmuck; ja sogar den "besseren" Körper? Und so leben wir vor uns hin. Den Fokus auf unsere Mitmenschen gerichtet. Ohne die Anerkennung, den Lob, fühlen wir uns nicht vollständig. Ohne ihn, können wir nicht glänzen. Und dann tritt der Herbst ein - wir sind mitten im Leben und merken, dass das, was uns immer so wichtig schien, gar nicht wichtig ist. Bei manchen ist es zu spät und sie erkennen es erst, wenn der Winter eingebrochen ist. Wenn einen plötzlich die eisige Kälte überkommt und der quälende Gedanke sich in den Geist frisst: für was habe ich überhaupt gelebt? Am Ende sind wir alle gleich. Vor dem Tod sind wir alle menschliche Lebewesen mit einer Seele. Ihm ist es egal, welchen Status du hattest. Ob du reich und schlank warst oder mittelständisch und normal gebaut. Die Glücklichen unter uns, stellen es früher fest. Schauen das erste Mal aus dem Schleier des Mainstreams heraus. Sehen sich selber, nehmen sich mit allen Sinnen wahr und erkennen: ich bin kein Laubbaum. Ich bin eine Tanne und genüge mir selbst. Das Wichtigste ist, dass ich glücklich bin mit dem, was ich habe.
Gedankenchaos
Comments